Der Beschwerdeweg in der Kita – an wen wendest du dich bei Problemen?

19. Jul 2024 | beziehungsstarke Kita-Eingewöhnung, Blog, Kita-Alltag | 0 Kommentare

Seelische und/oder körperliche Gewalt ist in Kitas öfter an der Tagesordnung als die meisten denken (oder wahrhaben wollen). Meistens sind wir erst einmal sprachlos und schockiert, wenn wir nicht akzeptables Verhalten beobachten. Das geht Eltern UND pädagogischen Fachkräften ganz genauso. Doch es ist wichtig, dass wir Kinder schützen und nicht zusehen oder wegschauen. Wir müssen mutig sein, Misstände anzusprechen. Respektvoll, klar und deutlich. Vielen Eltern und Fachkräften fällt das jedoch schwer. Wann darf ich etwas sagen? Steht es mir zu als Elternteil eine Fachkraft „anzukreiden“? Darf ich als Fachkraft eine*n Kolleg*in „anschwärzen“? An wen wende ich mich mit meinem Anliegen? Wie formuliere ich meine Kritik? Es gibt so viele Fragen zu diesem extrem wichtigen Thema. Einige beantworte ich in diesem Blogartikel.

Der Beschwerdeweg in der Kita – an wen du dich bei Problemen wenden kannst

Dieser Blogartikel ist eine Ergänzung zu meinem Buch „Auf ins Kita-Abenteuer: Wie du dein Kind sicher und entspannt durch die Eingewöhnung begleitest“*. Im Buch habe ich (im Kapitel „So minimierst du das Risiko für Gewalt in der Kita“) schon erklärt wie du herausfindest, wann bzw. warum du bei Problemen die pädagogische Fachkraft bzw. die Kita ansprechen kannst und ansprechen solltest. In diesem Blogartikel zeige ich dir, an WEN du dich bei Problemen wenden kannst, wenn du (als Elternteil oder als Fachkraft) grenzüberschreitendes Verhalten oder Gewalt bei einer pädagogischen Fachkraft gegenüber einem Kind beobachtest. Damit du weißt, dass du Handlungsmöglichkeiten hast, die ungute Situationen ändern können. Allein das stärkt schon zu wissen.

Was ich im Blogartikel nicht beschreibe sind Beispiele für grenzüberschreitendes/gewaltvolles Verhalten (also das WAS) und auch nicht WIE genau du dein Anliegen an die entsprechenden Personen kommunizieren kannst. Aus folgendem Grund: Ich arbeite in solchen Fällen ausschließlich individuell. (Im Happy Kita Fokusgespräch unterstütze ich Eltern, in der Fachberatung/Supervision unterstütze ich Fachkräfte.) Das heißt ich höre mir die komplexe Lage an, lasse mir die Details schildern und schätze dann die gesamte Situation ein – ganzheitlich von allen Seiten betrachtend (Kind, Eltern, Fachkraft, Kita). Und danach entwickle ich einen Leitfaden für ein Gespräch mit ganz konkreten Formulierungen, die genau zu der Situation passen in der sich die Beteiligten befinden.

Für dich folgt an dieser Stelle der Überblick über die 5 Schritte auf dem Beschwerdeweg.

1. Den Vorfall persönlich ansprechen

Du hast seelische und/oder körperliche Gewalt einer Fachkraft bei deinem Kind oder einem Kita-Kind beobachtet oder eine Vermutung? Dann kannst und darfst du die Person darauf ansprechen. Du kannst auch unter bestimmten Umständen eine*n Kolleg*in ansprechen, die mit der betreffenden Fachkraft in der Gruppe zusammenarbeit. Bleibe sachlich und beschreibend, auch wenn es ein emotionales Thema ist.

Wichtig bei aktuten Fällen von Gewalt: Sage laut Stopp! Das sollte der Fachkraft die Möglichkeit geben ihr Handeln schnell zu reflektieren und selber die Kurve zu kriegen. Wenn sie das nicht tut: Greife ein und schütze das Kind.

2. Kita-Leitung oder Vorstand einbeziehen

Zeigt die Fachkraft kein Fehlerbewusstsein im Gespräch und ihr Verhalten ändert sich auch danach nicht, dann kannst du den Vorfall der Kita-Leitung melden. Bei Elterninitiativen wendest du dich an den Vorstand. Grobes Fehlverhalten kannst du auch sofort an dieser 2. Stelle melden und die Fachkraft „überspringen“, das ist aber sehr situationsabhängig. Ich persönlich bevorzuge zu erst der betreffenden Fachkraf die Chance zu geben sich zu erklären, einsichtig zu sein und ihr Verhalten zu ändern.

3. Elternrat, Fachaufsicht oder Träger einbeziehen

Zeigt die Kita-Leitung ebenfalls kein Fehlerbewusstsein und sie spielt die Situation herunter oder es werden keine oder nicht ausreichende Schritte zur Verbesserung eingeleitet, kannst du den nächsten Step gehen. Der sieht je nach Art der Betreuungseinrichtung etwas anders aus.
Bist du Elternteil, kannst du (sofern existent) den Elternrat einbeziehen, denn er hat die Aufgabe die Interessen der Eltern zu vertreten. Dort können z.B. auch mehrere Vorfälle gesammelt werden. Das kann eine Fachkraft betreffen, deren Verhalten von mehreren Eltern gemeldet wird. Oder es kann mehrere Fachkräfte betreffen, die von einen oder mehreren Eltern gemeldet werden. Gibt es keinen Elternrat und es gab mit der Kita-Leitung und der Fachkraft keine Klärung der Situation, kannst du den Träger informieren. Je nach Größe des Trägers hat dieser oft auch eine eigene Fachaufsicht.
Bist du Fachkraft und kommst mit deiner Leitung im Gespräch nicht weiter oder das Verhalten deiner*s Kolleg*in ändert sich nicht, kannst auch du dich direkt an den Träger bzw. dessen Fachaufsicht wenden. Ggf. gibt es auch eine Mitarbeitervertretung (das Pendent zum Elternrat), die du kontaktieren kannst.
Falls dein Kind in eine kleine Elterninitiative geht oder falls du als Fachkraft dort arbeitest, ist der Vorstand die „Kita-Leitung“ und gleichzeitig der Träger, dann gehe direkt weiter zu Punkt 4.

4. (Landes)Jugendamt informieren

Wird immer noch nicht glaubhaft, dass Fehlverhalten Konsequenzen hat und es folgen weder Supervision, Fortbildung, Abmahnung, … und es ändert sich auch nichts am Verhalten der Fachkraft, dann kannst du das (Landes)Jugendamt informieren bzw. dich beraten lassen. Das ist die höchste weisungsbefugte Stelle, aber noch OHNE Strafanzeige.

5. Anzeige bei der Polizei

Der letzter Schritt ist eine Strafanzeige bei der Polizei. Die sollte sehr gut überlegt sein, denn da hängt einiges dran und dieser Prozess kann nicht so leicht zurückgezogen werden. Ich empfehle also die vorherigen Stufen auszuschöpfen. Aber wenn alles andere vorher nichts bringt, dann dürfen wir auch keine Angst vor diesem letzten Schritt haben. Denn es geht nicht nur um den Schutz des eigenen oder eines Kindes, sondern um viele Kinder. Und ich finde wir haben da eine große Verantwortung.
In den letzten SECHS Jahren in denen ich Familien und Fachkräfte bei der Eingewöhnung unterstützt habe, kam es EINMAL vor, dass Eltern eine Anzeige gegen eine Fachkraft erstattet haben. Ich werde dazu keine Details nennen, aber diese Strafanzeige war mehr als berechtigt.

Warum brauchen wir überhaupt einen Beschwerdeweg in Kitas?

Warum pädagogische Fachkräfte – genauso wie Eltern überigens auch – grenzüberschreitend oder gewaltvoll handeln hat viele Ursachen. 12 Gründe, warum es Gewalt in Kitas gibt habe ich hier schonmal aufgeschrieben. Das kannst du gerne lesen. Es geht dabei nicht darum, Gewalt zu bagatellisieren oder zu rechtfertigen. Aber der Fachartikel kann dazu beitragen, dass du verstehst, wie es Fachkräften geht. Verstehen heißt nicht gut finden. Verstehen hat aber Einfluss auf unsere Haltung wie wir Menschen (Eltern und Fachkräften) gegenüber treten. Und auf die Kommunikation mit Fachkräften lege ich in meiner Arbeit großen Wert.

Was du besser nicht tun solltest

  • Verzichte auf das, was anonym ist: Brief im Briefkasten der Kita, Brief an den Elternrat o.ä. Es gibt zwar in einigen Kitas einen „Kummerkasten“ – ich bin ehrlich gesagt Befürworterin von echten Gesprächen! Diese tragen viel häufiger zu einer Klärung und Lösung bei, vor allem wenn es um konkrete Situationen geht.
  • Verzichte auf „Gerede“: Whatsapp-Chat mit der Elterngruppe, Social Media Postings o.ä. Dab ei kochen meistens die Emotionen nur noch höher und es ist wichtig, dass du einen klaren Kopf und regulierte Gefühle hast.

Wenn du unsicher bist und du nicht allein durch diese Situation durch willst, dann kann ich dich unterstützen und dich auf das Gespräch vorbereiten.
Buche dir eine Elternberatung oder Fachberatung/Supervision.

Auf ins Kita-Abenteuer. Das Bild zeigt das Cover des Elternratgebers der Autorin Stefanie von Brück zum Thema Eingewöhnung.

Wie finde ich die richtige Betreungseinrichtung? Wie läuft eine gute Eingewöhnung ab? Wann ist mein Kind bereit für die erste Trennung Wie viel Weinen ist ok? Dies und mehr beantworte ich in meinem Eingewöhnungs-Ratgeber „Auf ins Kita-Abenteuer“.

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Stefanie von Brück

Stefanie von Brück

ist Expertin für beziehungsstarke Eingewöhnung, Familie und Kita. In ihrem früheren Berufsleben hat sie als Lehrerin (Staatsexamen) für Sozialpädagogik, Ethik/Philosophie zukünftige pädagogische Fachkräfte ausgebildet. Heute

  • unterstützt sie online Eltern bei der Eingewöhnung ihrer Kinder und
  • begleitet sie anschließend durch die gesamte Kita-Zeit,
  • bildet deutschlandweit pädagogische Fachkräfte und Kita-Teams fort und
  • gründet ehrenamtlich einen Bildungscampus (eigene Kita und freie Schule) in Leipzig.

Als Pädagogin, Mutter und Visionärin steht sie für ein bedürfnisorientiertes, bindungssicheres und beziehungsstarkes Zusammensein zwischen Erwachsenen und Kindern in Familie UND Kita. Auch wenn nicht alles FriedeFreudeEierkuchen ist. Denn dann ist es am schwierigsten und gleichzeitig am wichtigsten.

Stefanie von Brück ist Vermittlerin zwischen Kind, Eltern und pädagogischen Fachkräften und hat stets das Beziehungsdreieck im Blick, so dass alle Beteiligten gleichwürdig respektiert werden.