Mein Geständnis: Ich bin eine bessere Mutter, wenn mein Kind stundenweise in die Kita geht

9. Mai 2022 | beziehungsstarke Kita-Eingewöhnung, Blog | 0 Kommentare

Gestern war Muttertag. Unabhängig davon, ab man*frau diesen Tag nun braucht oder nicht, fragte ich mich, was ich dazu sagen möchte. Nun: es gibt etwas, das steht bei den Frauen (die ich bei der Eingewöhnung ihrer Kinder begleite) immer wieder als scheinbar kleine und gleichzeitig seeehr bedeutsame Frage im Raum:
„Bin ich noch eine gute Mutter, wenn mein Kind in die Kita oder zur Tagesmutter geht?“

Eine berechtigte Frage? – Scheinbar ja.
Denn das, was uns von der Gesellschaft und auch von Instagram & Co manchmal als „gute Mutter“ im Zusammenhang mit „Fremdbetreuung“ vor Augen geführt wird, ist subjektiv und verallgemeinernd zugleich.
Und das wiederum löst in vielen Mamas, deren Kind bald in die Krippe, Kita oder Tagespflege eingewöhnt wird, nicht selten ein schlechtes Gewissen aus.

Bist du noch eine gute Mutter, wenn dein Kind in die Kita geht?

Wenn Mamas vor der Eingewöhnung ihrer Kinder zu mir kommen haben sie in der Regel einen oder mehrere der folgenden Sätze gedacht, gelesen oder gehört:

  • Wozu hast du denn ein Kind, wenn es mit einem Jahr in die Krippe geht?
  • Du bist doch nicht nur Mama, du hast doch auch ein eigenes Leben.
  • Kinder unter 3 gehören nicht in die Kita.
  • Ich bin gerne Mutter und möchte mein Kind solange wie möglich selbst betreuen.
  • Bei seiner Mama ist ein Kind eh am Besten aufgehoben.
  • Ich bin eine Rabenmutter, weil ich wieder arbeiten gehen will/muss.
  • Bin ich eine Helikoptermutter, wenn ich mein Kind noch nicht abgeben will?
  • Als Mama geht man unter, wenn die Kinder immer an 1. Stelle stehen.
  • Kitafrei ist besser als Fremdbetreuung.
  • Wenn du eh zu Hause bist (wegen dem Baby oder nicht arbeiten), warum geht dein Kind dann in die Kita?

Ich könnte die Liste ewig fortsetzen. Und manchmal fühlt es so an, als gäbe es nur schwarz und weiß. Zwei Lager – Kitafrei vs. Fremdbetreuung.

Als Expertin und Beraterin für die beziehungsstarke Eingewöhnung wurde ich in zahlreichen Interviews, auf meinen Facebook und Instagram Kanälen und auch von meinen Kundinnen schon oft gefragt, wie ich das eigentlich mit meinen eigenen Kindern gemacht habe.
Heute mag ich also mal persönlich berichten, denn es hat sehr viel mit meinem Muttersein an sich zu tun:

Mein Weg mit und ohne Kinderbetreuung – in Zahlen

Ich war mit unserem ersten Sohn 20 Monate lang zu Hause, danach folgten 3 Monate Eingewöhnung und als er 2 Jahre alt wurde musste ich wieder arbeiten. Ein Jahr später, kurz nach seinem 3. Geburtstag, sind wir in eine andere Stadt umgezogen. Dort hatten wir keinen Kita-Platz und ich war schwanger also lebten wir 2 Jahre lang zusammen kitafrei.
Ab 5 Jahren wurde er dann in einer kleinen Elterninitiative von einer festen Betreuerin und Eltern der Kinder betreut (wir haben uns tageweise abgewechselt). Mit 5 ½ Jahren musste er dann in eine Kita wechseln, weil die Elterninitiative nicht fortgeführt werden konnte.

Unseren zweiten Sohn habe ich in unserer Kitafrei-Zeit geboren, er war also 17 Monate mit seinem Bruder und mir zu Hause. Und dann nochmal 7 Monate nur mit mir. Mit genau 2 Jahren begann die Eingewöhnung bei der Tagesmutter, ich arbeitete damals schon online als Eingewöhnungsberaterin, war aber offiziell noch in Elternzeit. Ich wollte also arbeiten. Meinen Job als Lehrerin habe ich am Ende der Elternzeit gekündigt und mich hauptberuflich selbständig gemacht.
Mit 3 Jahren wechselte unser Sohn dann in den Kindergarten und 6 Monate später kam der Lockdown. Er blieb auch nach der Öffnung der Kitas noch zu Hause (also insgesamt 5 Monate Pause). Seit seiner 2. Eingewöhnung im Kindergarten wird er relativ kontinuierlich dort betreut. Relativ deswegen, weil ich die Kinder während der Coronazeit häufig beide zu Hause hatte, aus Schutzgründen auch länger als es von Schul-/Kitaseite aus nötig gewesen wäre.

Mein Weg mit und ohne Kinderbetreuung – in Gedanken und Gefühlen

Ich erlebte in meiner Mutterschaft zwei verschiedene Elternzeiten bzw. Kita-frei-Phasen.

Kitafrei – mein Ideal

  • Zeit und Nähe mit dem Kind,
  • in den Tag hinein leben,
  • keine Fremdbestimmung,
  • kein Stress, um pünktlich in der Kita zu sein
  • die beste Bindung und Beziehung zwischen Mutter und Kind
  • keine Erziehung durch andere Menschen
  • keine Kitakosten
  • Bedürfnisse des Kindes an 1. Stelle, …

In der ersten Elternzeit war ich sowas von glücklich als Mama mit meinem Kind 24/7 zusammen zu sein. Ich hab mich unglaublich frei gefühlt, obwohl ich total fremdbestimmt war durch die Bedürfnisse von meinem High-Need-Baby. Klar gab es auch anstrengende Phasen, aber insgesamt war ich als Mama extrem happy und bin in meiner Mutterrolle aufgegangen. Gegen Ende der Elternzeit begann ich dann Eltern-Kind-Kurse zu geben und hätte das auch noch ne Weile so weiterführen können ohne meine Arbeit zu vermissen oder den Eindruck zu haben meinem Kind fehlen soziale Kontakte. Mit einem wunderbar wilden Kind (wie meine geschätzte Kollegin Inke Hummel liebevoll schreibt) wurde es schon manchmal knifflig in den Babykursen die Balance der Bedürfnisse zu halten und dann rückte auch der Arbeitsbeginn (den ich um ein halbes Jahr verschoben hatte) immer näher.

Ich würde sagen, ich war eine gute Mutter.
Ein paar Jahre später sah meine kinderbetreuungsfreie Zeit allerdings anders aus…

Kitafrei – meine Realität ⠀⠀⠀⠀⠀

Ich war am A…
Natürlich gab es auch diese idealen Momente und Vorteile, die ich gerade beschrieben habe. Und ich liebte das. Es gibt viele schöne Erinnerungen an diese Zeit.
Aber dieses mehrere Stunden für alles allein verantwortlich sein, hat mich echt gekickt.

  • Spieldates organisieren,
  • Essen kochen (ich mag Kochen gar nicht),
  • Haushalt halbwegs in Ordnung halten,
  • Bedürfnisse eines 3,5 Jährigen und eines Babys in Einklang bringen
  • viele starke Gefühle begleiten
  • Baby abhalten und Stoffwindeln waschen,
  • mich nicht selbst vergessen

Ich war erschöpft, laut und auch gemein, weil viel zu oft am Ende meiner Kräfte.
Ich war keine gute Mutter, so fühlte es sich zumindest an.
Die schönen Momente konnte ich nicht so wirklich sehen. Ich war glücklich mit meinen Jungs und unserer Kitafrei-Freundegruppe und gleichzeitig unglücklich. Und ich quälte mich oft mit der Frage, ob und wann mein großes Kind wieder in Betreuung gehen soll. Denn ich spürte sehr deutlich, dass es so nicht weitergehen kann.

Ich war nicht die Mutter, die ich sein wollte und auch nicht die, die ich sein kann.

Stefanie von Brück

Ich wollte wieder ICH selbst sein.
Und dann war der Gedanke, den ich mich nicht getraut habe zu denken geschweige denn zu sagen:

ICH BIN EINE BESSERE MUTTER, WENN MEINE KINDER BETREUT SIND.

Stefanie von Brück

Es war ein verdammt harter Weg bis zu diesem Eingeständnis. Und ich weiß aus meinen Beratungen, dass sich viele Mütter unendlich quälen mit dem Bild der IDEALEN VOLLZEIT-MUTTER und dem Wunsch auch Zeit für andere Dinge und für sich selbst zu haben. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀

Das Dilemma moderner Mütter

Zwischen den idealen Vorstellungen von Selbstbetreuung bzw. kitafrei als „das Bessere“ und den oft schrecklichen Vorstellungen von „Fremdbetreuung“ ist EINER der HAUPTGRÜNDE, warum Mütter besorgt und Kita-Eingewöhnungen manchmal so schwer sind.

  • Warum Frauen sich fragen, ob sie noch eine gute Mutter sind, wenn ihr Kind außerfamiliär betreut wird.
  • Warum Frauen an sich und ihrem Muttersein zweifeln, nur weil sie keine Lust haben stundenlang mit ihrem Kind zu spielen.
  • Wenn sie sagen, sie werden ihrem Kind nicht mehr gerecht und vielleicht auch damit meinen, sie werden sich selbst nicht mehr gerecht.
  • Wenn sie unbewusst Angst haben, ihr Kind könnte die Erzieherin (mehr) lieb haben als sie.
  • Warum sie denken, dass sie nicht mehr genug Mama sind, wenn sie wieder arbeiten gehen.

Bist du auch eine Mama mit solchen oder ähnlichen Gedanken?
Wie fühlst du dich dabei?

„Denke immer daran. Du bist und bleibst für immer Mutter. Egal, wo und von wem dein Kind betreut wird. Die Art der Betreuung sagt nichts über deinen Wert als Mutter aus. Du bist gut so wie du bist.“

Stefanie von Brück

Fazit

Ich habe meinen Weg als Mama mit und ohne Kinderbetreuung gefunden. Er passt zu uns als gesamte Familie. Dabei habe ich gleichberechtigt auf die Kinder und auch auf mich geachtet. Denn jedes Kind hatte unterschiedliche Bedürfnisse und brauchte eine individuell passende Betreungsform im jeweiligen Alter.

Die Frauen und Mütter, die ich bei der Eingewöhnung begleite, bekommen von mir viele Reflexionsfragen und Impulse. Damit sie sich vor und während der Eingewöhnung ihres Kindes gut fühlen. Und nicht an ihrem Mamasein zweifeln.

Falls du deine Entscheidung (wann die Eingewöhnung beginnt) schon treffen musstest und dir bissl unsicher bist, ob es das Richtige für dein Kind ist. Oder du ganz sicher gehen willst, dass deine Entscheidung auch zu deinem Kind passt.
Oder du die Qual der Wahl, wann die Kinderbetreuung beginnt, noch vor dir hast.
In allen Fällen hilft dir mein Mini-Ratgeber „Ist mein Kind bereit für den Kita-Start?“.

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Stefanie von Brück

Stefanie von Brück

ist Expertin für beziehungsstarke Eingewöhnung, Familie und Kita. In ihrem früheren Berufsleben hat sie als Lehrerin (Staatsexamen) für Sozialpädagogik, Ethik/Philosophie zukünftige pädagogische Fachkräfte ausgebildet. Heute

  • unterstützt sie online Eltern bei der Eingewöhnung ihrer Kinder und
  • begleitet sie anschließend durch die gesamte Kita-Zeit,
  • bildet deutschlandweit pädagogische Fachkräfte und Kita-Teams fort und
  • gründet ehrenamtlich einen Bildungscampus (eigene Kita und freie Schule) in Leipzig.

Als Pädagogin, Mutter und Visionärin steht sie für ein bedürfnisorientiertes, bindungssicheres und beziehungsstarkes Zusammensein zwischen Erwachsenen und Kindern in Familie UND Kita. Auch wenn nicht alles FriedeFreudeEierkuchen ist. Denn dann ist es am schwierigsten und gleichzeitig am wichtigsten.

Stefanie von Brück ist Vermittlerin zwischen Kind, Eltern und pädagogischen Fachkräften und hat stets das Beziehungsdreieck im Blick, so dass alle Beteiligten gleichwürdig respektiert werden.