Am Ende des Tages ist bei dem Großteil aller Eltern so viel Müdigkeit übrig, dass ich den Wunsch eines früh schlafenden Kindes absolut nachvollziehen kann. Manchmal fühlt sich jeder Tag wie eine Besteigung eines 2000er Berges an und wenn nicht die Küche oder Wäsche ruft, dann das Sofa oder vielleicht sogar das Bett selbst. Wenn dann ein Kind abends 21, 22 oder gar 23 Uhr noch putzmunter, wie eine Gämse über den Berg hüpft, können die Nerven schon mal blank liegen. Doch der elterliche Wunsch nach einem verkürzten oder ausbleibenden kindlichen Mittagsschlaf in der Kita bekommt kein Echo. Die meisten Fachkräfte lassen Kinder schlafen und wecken sie auch nicht, zum Leidwesen vieler erschöpfter Eltern, die abends einfach mal Feierabend haben wollen. Denn morgens ist es ja auch schwer ein Nachteulenkind zu wecken, dass sich dann den fehlenden Schlaf in der Kita holt, abends wieder nicht müde ist… Eltern kennen diesen Teufelskreis.
Sabotiert der Mittagsschlaf in der Kita den Nachtschlaf zu Hause?
Diese Frage schwebt im Raum und wenn ich Eltern im Happy Kita Start Begleitprogramm bei der Eingewöhnung unterstütze, kann ich darauf auch aus pädagogischer Sicht Antworten geben. Aber als Mama weiß ich wie anstrengend es sein kann, wenn das eigene Kind abends partout nicht schlafen kann (oder will). Und weil es so ein Dauerbrenner-Thema ist, habe ich mir Verena Foris eingeladen. Sie ist Baby- und Kinderschlafberaterin (Verein für ganzheitlichen Kinderschlaf, VGKS) und heute in meinem Blog zu Gast. Denn dieses Interview ist eine Ergänzung zu meinem Buch „Auf ins Kita-Abenteuer: Wie du dein Kind sicher und entspannt durch die Eingewöhnung begleitest“.
Verena, warum ist es gut, wenn Kinder in der Kita Mittagsschlaf machen dürfen, auch wenn das Auswirkungen auf den Nachtschlaf hat?
Zunächst einmal hat der Mittagsschlaf kein Ablaufdatum, es gibt also kein festes Alter, ab dem er nicht mehr gebraucht wird. Die meisten Kinder schaffen den Tagschlaf im Alter von 2,5 und 4 Jahren ab, aber es gibt durchaus auch Grundschulkinder, die mittags ein Nickerchen machen.
Kinder sollten immer schlafen dürfen, wenn sie müde sind – und Kita macht müde!
Ein Kind, das sichtbar müde ist, nicht schlafen zu lassen, ist für die ErzieherInnen, aber vor allem für das Kind eine enorme Belastung. Doch es steckt noch mehr dahinter: Das Gefühl, bei Müdigkeit einschlafen zu können, zeigt dem Kind, wie angenehm Schlafen ist. Und das trägt dazu bei, dass es das Schlafen mit etwas Positivem assoziiert. Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat dafür den Begriff „Schlafheimat“ geprägt. Nach einem anstrengenden Vormittag bei Müdigkeit in der Betreuung schlafen zu dürfen, trägt also dazu bei, dass das Kind eine Schlafheimat findet – ein Gefühl, das bis ins Erwachsenenalter erhalten bleibt. Ebenso wichtig in Bezug auf die Schlafheimat ist natürlich auch, dass ein Kind, das nicht schlafen möchte – was im 3. und 4. Lebensjahr sehr oft der Fall ist – auch nicht schlafen muss in der Betreuung.
Verena, was rätst du Eltern, wenn ihr Kind abends nicht ins Bett will, weil es noch gar nicht müde ist?
Zu allererst: Sich von festen Schlafenszeiten zu lösen. Dass ein Kind um spätestens 20 Uhr im Bett sein muss, ist ein überholter, verallgemeinernder Glaubenssatz. Druck ist der größte Gegenspieler von Entspannung und Druck kann eine Familie dann rausnehmen, wenn der Blick auf die Uhr ein Stück weit in den Hintergrund tritt – auch wenn das beim Blick auf die To-Do-Liste und das Aufstehen am Morgen unendlich schwer ist. Hier könnte die Familie überlegen, wie die Zeit am Abend ggf. anders genutzt werden kann. Ab einem bestimmten Alter sind auch Abmachungen mit dem Kind möglich, z.B. dass das Kind selbstständig bzw. neben den Eltern spielen kann, während die Eltern etwa den Haushalt erledigen.
Verena, was sind deine drei besten Tipps, um das Einschlafen am Abend zu erleichtern / zu entspannen?
Was oft hilft: Die Umgestaltung der letzten halben Stunde vor dem Zubettgehen! Denn wenn vor dem Einschlafen noch Bedürfnisse offen sind, fällt der Weg in den Schlaf schwer. Hat das Kind vielleicht noch viel Energie übrig und muss diese noch beim Toben abbauen? Oder braucht es noch Bindungszeit mit einem Elternteil oder dem Geschwisterchen? Ruhige Aktivitäten vor dem Schlafengehen ist für viele Kinder hilfreich, aber bei weitem nicht für alle!
Beim Thema Bedürfnisse spielt auch das kindliche Autonomiebedürfnis eine Rolle und kann der Grund dafür sein, warum das Einschlafen schwer fällt. Wo konnte das Kind heute und insbesondere beim abendlichen Ablauf mitbestimmen? Deshalb Tipp 2: Je mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten das Kind hat, desto leichter fällt ihm auch die Kooperationsfähigkeit und das Zulassen einer bestimmten Situation (in dem Fall das Einschlafen). Das kann von der Auswahl der Zahnbürste bis zur Entscheidung, welches Spielzeug mit ins Bett genommen wird, reichen.
Und der 3. Tipp geht an die Eltern als diejenigen, die das Kind abends in den Schlaf begleiten: Je ruhiger und entspannter wir Eltern sind, desto leichter kann sich auch das Kind auf das Einschlafen einlassen. Leichter gesagt als getan! Das heißt, was können wir Eltern uns während der Einschlafbegleitung Gutes tun, wie können wir sie für uns nutzen? Vielleicht mit einem Hörbuch oder Podcast auf den Ohren? Insbesondere bei größeren Kleinkindern ist hier oft ein Kompromiss möglich, der eine geborgene Einschlafbegleitung mit bewusst genutzter Zeit für einen selbst vereinbaren lässt.
DANKE, Verena! Das war hilfreich. Prima 🙂
Gut zu wissen:
Wenn du dir mehr Informationen über und Unterstützung für entspanntes und für alle Familienmitglieder verträgliches Schlafverhalten bei deinem Kind wünschst OHNE dass das Thema Schlafen mit Druck und Streit verbunden ist, dann schau gern hier bei Verena auf die Webseite oder ihren Instagram-Kanal.
Alles was du über Eingewöhnung wissen musst, findest du in meinem Buch „Auf ins Kita-Abenteuer“