Das Stillen ist Schuld, wenn die Eingewöhnung nicht klappt. BÄMM. Das sitzt. Totschlagargument. Aber warum wird das Stillen in der Eingewöhnung in den meisten Kitas, Krippen und bei Tagesmütter*vätern nicht gern gesehen? Zahlreiche Vorurteile, zumeist aus Unwissenheit und mangels Handlungsalternativen, ranken sich um das Stillen eines Kleinkindes in der Betreuung außerhalb der Familie. Warum diese nicht stimmen und was du beim Stillen in der Eingewöhnung beachten solltest, erfährst du in diesem Blogartikel.
Um direkt mit der Tür ins Haus zu fallen:
Aus pädagogischer und still-fachlicher Sicht gibt es keinen triftigen Grund gegen das Stillen in der Eingewöhnung. Wenn du stillen magst, wenn du und dein Kind das noch gerne macht, dann ist es auch total in Ordnung.
Ganz egal, ob du vor, während oder nach der Eingewöhnung stillst.
Stefanie von Brück, Eingewöhnungsexpertin
Doch leider begegnen Müttern (neben einer Vielzahl anderer Mythen, die ich bereits hier beschrieben habe) eine Reihe von Vorurteilen über das Stillen in der Eingewöhnungszeit. Und auch, wenn die meisten Frauen schon wissen, dass diese unbegründet sind, fressen sich bei sehr vehementer Abwehr gegen das Stillen doch irgendwann Zweifel in die Gedanken ein. Zeit, dem etwas entgegen zu setzen.
Vorurteil 1 – Langes Stillen fördert eine starke Bindung und behindert die Trennung von Mutter und Kind.
Das erste Vorurteil bezüglich des Stillens während der Eingewöhnung ist, dass lange Stillen die Bindung viel zu stark macht und sich das Kind dadurch viel, viel schwerer lösen bzw. trennen kann.
ABER:
Das Problem mit der starken Bindung ist eigentlich kein Problem, weil starke Kinder, also stark und sicher gebundene Kinder, die haben Urvertrauen. Und dieses Urvertrauen führt zu einer Offenheit und Neugier auf andere Menschen sowie auf andere Situationen. Kinder zeigen das mit Explorationsverhalten während der Eingewöhnung, was ein gutes Zeichen ist.
Eine starke Bindung ist super cool für eine starke Eingewöhnung und das Stillen, auch das lange Stillen, hindert daran nicht, sondern fördert die Offenheit und Neugierde des Kindes in der Eingewöhnung.
Stefanie von Brück, Eingewöhnungsexpertin
Das heißt nicht, dass Kinder, die mit der Flasche groß geworden sind, keine sichere Bindung haben. Und es heißt auch nicht, dass alle sicher gebundenen Kinder sich sofort ins Getümmel der Kita-Gruppe stürzen müssen.
Ich bin der Überzeugung und sehe es immer wieder bei meinen Kundinnen, die ich bei der Eingewöhnung ihrer Kinder begleite: Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dann löst und trennt sich das Kind auch. Und das ist unabhängig davon, ob die Mutter während der Eingewöhnung stillt oder generell überhaupt noch stillt.
Vorurteil 2 – Langes Stillen behindert das Kind beim Mittagsschlaf in Krippe, Kita und Kindertagespflege.
Das zweite Vorurteil ist ganz oft, wenn das Kind Einschlafstillen gewohnt ist, dass das Einschlafen mittags im Kindergarten, in der Krippe oder bei der Tagesmutter schwerfällt, weil es wie zu Hause stillen will.
ABER:
Der Mittagsschlaf des Kindes (und das wissen alle Eltern) hat etwas mit
- Müdigkeit,
- Loslassen können in einer sicheren Wohlfühlatmosphäre
- und mit Selbstbestimmung
zu tun.
Das bedeutet, wenn diese drei Faktoren zusammenspielen, dann schaffen es Kinder auch sich von einem*r Erzieher*in oder von einem*r Tagesmama*papa in den Schlaf begleiten zu lassen, unabhängig davon, ob sie zu Hause üblicherweise noch gestillt werden oder nicht. Denn wenn eine Bindung und eine Beziehung da ist, dann können sich müde Kinder in diesem Einschlafmoment fallen lassen, weil sie sich in der Einrichtung und im Beisein der pädagogischen Fachkraft wohlfühlen. Und weil sie (vielleicht mit Hilfsmitteln wie z.B. Musik) ganz liebevoll und empathisch in den Schlaf begleitet werden, wenn sie bereit dafür sind.
Das Einschlafstillen zu Hause ist kein Ausschlusskriterium für den Mittagsschlaf in der Krippe, im Kindergarten oder in der Tagespflege. Der Schlüssel liegt in einer vertrauten Beziehung zwischen Kind und Fachkraft und die ist universal entscheidend auch wenn das Kind Schnuller, Schnuffeltuch oder Kinderwagen zum Einschlafen braucht.
Stefanie von Brück, Eingewöhnungsexpertin
Vorurteil 3 – Stillen während der Eingewöhnung stört die anderen Kinder.
Ein drittes Vorurteil ist, dass das Stillen während der Eingewöhnungszeit die anderen Kinder stört. Also die anderen Kinder, die in der Gruppe sind, davon irritiert sind. Oder vielleicht auch traurig, weil sie eben gerade nicht stillen können und ihre Mama nicht dabei haben.
Kurz vorweg: Natürlich kann es passieren, dass andere Kinder dastehen und gucken oder fragen, was da gemacht wird, wenn eine Mutter in der Eingewöhnung stillt. Oder sie erinnern sich vielleicht auch daran, dass sie selber gestillt worden sind. Und ja, das kann Kinder beeinflussen.
ABER:
In der Eingewöhnung stillen heißt nicht mitten im Gruppenraum zu sitzen und dann die Brust auszupacken.
Stefanie von Brück, Eingewöhnungsexpertin
Stillen geht auch diskret, ohne dass sich Mutter und Kind auf der Toilette oder in der hintersten Ecke der Garderobe verstecken müssen.
Von Störung der anderen Kinder kann also nicht wirklich die Rede sein. Die meisten Kinder bekommen es nämlich gar nicht mit. Und wenn doch, rede einfach mit ihnen. Erkläre, warum Stillen für dein Kind wichtig ist, warum ihr das noch macht, warum ihr das toll findet.
Das ist eine prima Vorbildfunktion für die nächste Generation, wenn unsere jungen Kinder erleben, dass Kinder noch gestillt werden können, auch über die typische Babyzeit hinweg. Es ist doch super genial, wenn diese jungen Kinder dann später mal selbst Eltern werden, dass sie solche Erfahrungen miterleben durften. Denn oft ist es so, dass wir viel zu wenig Still-Erfahrungen bzw. Erlebnisse haben, bevor wir unser eigenes Kind gebären.
Was, wenn die anderen Kinder doch traurig sind, wenn du dein Kind in der Eingewöhnung stillst?
Tröste sie. Das geht auch mit Worten, ohne dass du Körperkontakt zu den Kindern haben musst, weil es fremde Kinder sind. Sei einfach in dem Moment da. Spiegel und begleite ihre Gefühle.
Vorurteil 4 – Die Mama ist ja nicht immer zum Stillen da.
Das vierte, ganz häufige und meiner Meinung nach auch Totschlagargument ist, dass die Mama ja nicht immer da und deswegen würde es dem Kind sehr schwer fallen, das zu trennen, weil es das nicht unterscheiden kann. Und deswegen sei es so schwierig, wenn die Mutter während der Eingewöhnung in der Kita stillt.
ABER:
Kinder sind nicht doof. Sie wissen auch, dass Papa zwar eine Brustwarze hat, aber dass da keine Milch rauskommt, sondern (meistens) Brusthaare krabbeln.
Kinder sind total kompetent, sie können unterscheiden zwischen Mamas Brust und anderen Brüsten, an denen sie nicht stillen können. Das gilt auch in der Betreuungssituation.
Stefanie von Brück, Eingewöhnungsexpertin
Kinder lernen mit der unterschiedlichen Situation zu Hause und in der Krippe, Kita, Tagespflege umzugehen, wenn sie Zeit dafür haben und eine stabile, starke Beziehung zur pädagogischen Fachkraft aufbauen können. Denn dann kann diese ähnlich gut Trösten wie Mama oder Papa – ganz ohne Stillen.
Hab keine Angst und keine Zweifel vor dem Stillen in Krippe, Kita oder Tagespflege. Und beachte gern folgende:
7 Regeln für das Stillen deines Kindes während der Eingewöhnung
- Gib deinem Stillkind auch während der Eingewöhnung die Rückversicherung durch Stillen, wenn es das braucht.
- Du kannst etwas zu trinken und fest Kuscheln und Knuddeln anbieten, wenn Stillen gerade nicht passt oder es auch ohne Stillen gehen kann.
- Du musst nicht sofort bei der erstbesten Gelegenheit dein Kind anlegen, sondern kannst das Stillen liebevoll umschiffen/umlenken.
- Wenn dein Kind alt und/oder verständnisvoll genug ist, kannst du besprechen, dass ihr nur zu Hause oder im Auto vor/nach der Kita stillt.
- Aber wenn dein Kind vehement Stillen will, kämpfe nicht dagegen an, sondern gib ihm, was es braucht, dann ist die Stimmung schneller wieder gut, also wenn du es versuchst zu vermeiden.
- Stille an einem passenden Ort, setz dich nicht mitten in den Raum oder in einer Spielsituation, du musst dich aber auch nicht verstecken.
- Wenn dein Kind nur noch an der Brust hängt, geht lieber nach Hause. Das ist oft ein Zeichen von Reizüberflutung oder Überforderung. Kommt einfach am nächsten Tag wieder zur Eingewöhnung.
Wenn die pädagogische Fachkraft deines Kindes gegen das Stillen ist
Du bist niemandem Rechenschaft schuldig. Es ist deine private Entscheidung zwischen dir und deinem Kind. Eine pädagogische Fachkraft darf dir nicht vorschreiben, ob oder wann deine Stillbeziehung enden soll.
Stefanie von Brück, Eingewöhnungsexpertin
Was du jedoch nicht machen solltest, weil das meistens schief geht, ist mit den pädagogischen Fachkräften zu diskutieren im Sinne von argumentieren und sie davon zu überzeugen, dass das Stillen doch wichtig und super ist. Oft kommst du dann in so eine Kampfsituation. Die Argumente werden dann wie bei einem Ping Pong Spiel hin und her geworfen. Auch wenn das halbwegs freundlich scheint, geht es schnell in die Richtung „wer hat mehr Recht als der*die andere“.
Stillen ist oft ein vorgeschobener Grund, warum die Eingewöhnung nicht klappt. Weil man das „schwer Loslassen“ daran so schön festmachen kann. Das Stillen ist besser sichtbar ist, als wenn man über hemmende Gefühle oder unbefriedigte Bedürfnisse reden muss. Still-un-freundlichkeit ist meist nur die Spitze vom Eisberg und die eigentlichen Ursachen liegen unten drunter.
Stefanie von Brück, Eingewöhnungsexpertin
Entscheidend ist, das du das Thema Stillen in der Eingewöhnung achtsam und gewaltfrei kommunizieren kannst, so dass dein Bedürfnis und das Bedürfnis deines Kindes gewahrt bleibt und die Eingewöhnung beziehungsstark verläuft, weil du eine gute Kooperation mit den pädagogischen Fachkräften hast. Ich bin gern als deine Rückendeckung und Unterstützung an deiner Seite. Wie die Eingewöhnung mit deinem Stillkind gelingt, erfährst du im Happy Kita Start Begleitprogramm.
Ich freu mich auf deinen Kommentar:
Was sind deine Gedanken und Erfahrungen zum Thema Stillen in der Eingewöhnung?
Bleib beziehungsstark,
deine Stefanie